Hochbegabung und Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

AutistInnen zeigen auch im Erwachsenenalter Besonderheiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation, bspw. werden nonverbale Signale über Mimik, Gestik und Blickkontakt wenig bis kaum berücksichtigt und auch selbst kaum eingesetzt. Auch beim Sprachverständnis und -produktion zeigen sich Unterschiede, bspw. wirkt die Sprache häufig formalistisch und wird eher wortwörtlich verwendet, so dass eine Art Geradlinigkeit und Ehrlichkeit in der sozialen Interaktion auffällig ist. AutistInnen zeigen auch eine geringere Tendenz, eigene Gefühle, Interessen und Zustände auszudrücken bzw. zu teilen, so dass Unterschiede vorhanden sein können, wie soziale Beziehungen geführt werden. Oftmals haben Erwachsene, insbesondere mit einer (weit) überdurchschnittlichen Intelligenz, durch eine gute Beobachtungsgabe und Selbstreflexion gelernt, sich an die sog. neurotypischen Interaktionsformen – die von den meisten Menschen geteilt werden – anzupassen. Ein weiteres Kernsymptom sind repetitive, stereotype Verhaltensweisen. AutistInnen zeigen oft Rituale/Routinen im Alltag und/oder im Verhalten, was teilweise auch beruhigend wirkt und bei Stressreaktionen bewusst eingesetzt werden kann. Auch findet sich häufig eine intensive Beschäftigung mit Interessen. Bei der Reizwahrnehmung kann sowohl eine Hyper- als auch eine Hyposensitivität vorliegen, so dass folglich eine sensorische Über- und eine Unempfindlichkeit vorhanden sein kann.

Somit ist die ASS auch mit Herausforderungen verbunden, bspw. können sich in der Interaktion Missverständnisse und/oder Konflikte einstellen, die Person erlebt wiederholt Überforderungssituationen mit ggf. Reizüberflutung oder zu starke soziale Kompensationsmechanismen (bis hin zu einem sog. Masking) führen zu deutlichem Leidensdruck.

Erwachsene AutistInnen haben zudem ein erhöhtes Risiko, psychische Störungen zu entwickeln, wie bspw. Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen

In der Literatur werden auch Ähnlichkeiten zwischen hochbegabungsspezifischem und autistischem Erleben und Verhalten beschrieben. Beispielsweise können das Gefühl anders zu sein, Herausforderungen zu erleben, das Verhalten anderer zu verstehen, wenn es nicht logisch erscheint, das abstrakt-logische Denken, die sprachliche Präzision, mitunter Spezialinteressen etc. sowohl bei AutistInnen als auch bei Hochbegabten vorkommen. Bei Brackmann (2020) und Heil (2021) finden sich Hinweise, dass diese phänotypischen Ähnlichkeiten bei Höchstbegabten stärker zu finden sind.

Liegen sowohl eine Hochbegabung als auch eine ASS vor, spricht man von einer sog. Twice-Exceptionality. Hier erscheint es wichtig, das eigene (neurodivergente) Erleben und Verhalten vor dem jeweiligen Hintergrund einzuordnen und die daraus resultierenden Ressourcen und Herausforderungen kennen zu lernen.